Auf einem Sockel thronend, heißt Sun Yatsen (孫中山, Sūn Zhōngshān) die Besucher des Parks mit einem Zitat aus dem Buch der Riten (禮記, Lǐjì) willkommen. Man könnte fast meinen, er weise damit darauf hin, dass der Park vor allem für die Bedürfnisse der Öffentlichkeit erbaut wurde. Denn
「天下為公」bedeutet frei übersetzt so etwas wie "die Welt unter dem Himmel ist für alle da". So wundert es nicht, dass der als Landesvater (國父, Guófù) verehrte Staatsmann auf Taiwan sehr beliebt und beinahe überall anzutreffen ist.
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「天下為公」bedeutet frei übersetzt "die Welt unter dem Himmel ist für alle da" |
Chiayi Park ist nicht nur ideal, um sich zu erholen und die Seele baumeln zu lassen, sondern kann darüber hinaus auch noch Geschichte und Kultur vermitteln
. Leider sind dabei die sicherlich durchaus lesenswerten Infotafeln für den durchschnittlichen 老外 (lăo wài; Ausländer, Laie) nicht besonders hilfreich. Notfalls erklären sich aber die an Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kaum zu überbietenen Taiwaner bestimmt bereit, die hübschen Schriftzeichen mit Händen und Füßen für den unwissenden Fremden zu übersetzen.
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Paradies für Kinder |
Man stelle sich nur einmal vor: Die Sonne scheint. Blumen blühen in satten Farben. Die Blätter der Bäume rascheln im Wind. Schmetterlinge taumeln ungeschickt von Blüte zu Blüte. Kinder lachen und turnen fröhlich umher. Dann kommt eine kühle Brise auf, während man im Schatten eines Baumes sitzt und sich voller Schadenfreude denkt, wie kalt es mal wieder in Deutschland ist. Das Paradies kann doch nicht schöner sein. Will man also dem heiteren Trubel der taiwanesischen Nachtmärkte für einen Moment entfliehen, dürfte Chiayi Park genau richtig sein.
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Baumriesen im Botanischen Garten |
Eröffnet wurde Chiayi Park im Jahr 1910 von den Japanern. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Architektur der Gärten und Pavillons teilweise auch heute noch an den Stil der Kolonialmacht erinnert, die Taiwan von 1895 bis 1945 kontrollierten. Die einst angepflanzten Bäume sind mittlerweile zu Riesen herangewachsen und flankieren die Gehwege, die über hügeliges Gelände und entlang einiger Wasserläufe verlaufen. Bereits im Jahr 1908 errichtet, bietet der Botanische Garten (樹林園, Shùlínyuán) eine Pflanzenvielfalt, die durchaus sehenswert ist. Hin und wieder huscht dort auch einer der waldbewohnenden Wellenreiher umher, an die man hier erstaunlich nahe herankommt.
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Nur ein bisschen schüchtern... |
Nach einer Dienstzeit von 64 Jahren verlebt die einst mit Kohle betriebene Lokomotive Nr. 21 nun hier im Park ihren wohl verdienten Ruhestand. Im Jahr 1912 von der japanischen Kolonialverwaltung erworben, war sie unermüdlich auf der Alishan Forest Railway (阿里山森林鐵路; Ālǐshān Sēnlín Tiělù) unterwegs und wurde erst im Jahr 1976 aufs Abstellgleis geschoben.
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Altenteil der Lok Nr. 21 |
Die besonders interessanten Sehenswürdigkeiten seien hier und in weiteren Artikeln noch einmal genauer vorgestellt. Sollte man also nicht unbedingt ein Freund von Bäumen, Lokomotiven oder Wellenreihern sein, findet sich in Chiayi Park sicherlich noch etwas anderes, was es sich zu besichtigen lohnt. Abgesehen davon gibt es auch noch Badminton- und Schachfelder, die bei den Besuchern sehr beliebt sind.
1. Sun Shooting Tower (射日塔)
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Wer kommt denn bitte auf die Idee, die Sonne abzuschießen? |
Für mich ist vollkommen unverständlich, warum man die Sonne abschießen sollte. Die ist doch so schön warm und in Deutschland ohnehin kaum einmal zu sehen. Wem das hier aber auf Taiwan einst dienen sollte, erfährt man im Artikel zum
Sun Shooting Tower (射日塔; Shèrì Tǎ), welcher im Osten des Parks zu finden ist.
Öffnungszeiten:
9:00 bis 21:00, montags und dienstags geschlossen
2. Archiv für Historische Relikte (史蹪資料館)
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Früher ein Shintō-Schrein, heute ein Museum... |
Dort wo heute das Archiv für Historische Relikte (史蹪資料館; Shǐtuí Zīliàoguǎn) zu finden ist, stand mit dem Kagi-Schrein (嘉義神社; Jiāyì Shénshè) von 1915 bis 1945 eine religiöse Stätte der shintoistischen Japaner auf Taiwan. Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg mussten die Japaner die Insel verlassen, woraufhin die Haupthalle zu einem Märtyrerschrein umgestaltet wurde. Bei einem Brand wurde dann 1994 ein Großteil des Gebäudes zerstört und erst 2001 als Museum neu errichtet.
Öffnungszeiten:
9:00 bis 17:00, montags geschlossen
Führungen von 9:30 bis 11:00 und von 14:30 bis 16:00
3. Konfuzianischer Tempel (孔廟)
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Im Herzen des Parks... |
Im Grunde kann der Konfuzianische Tempel (孔廟; Kǒng Miào) auf eine 300 Jahre alte Geschichte zurückblicken. Das Gebäude zu Ehren des Konfuzius (孔夫子; Kǒng Fūzǐ, Lehrmeister Kong) wurde erstmals während der Dynastie der Qing (清朝; Qīng Cháo) erbaut, welche Taiwan im Jahr 1683 annektiert hatten und die Insel damit erstmals unter die Herrschaft des Festlandes brachten. Aus dieser Zeit ist auch noch eine Restaurationsstele mit Inschriften erhalten, die heute wieder in dem Gebäudetrakt neben der Haupthalle des Tempels, der "Halle der Großen Errungenschaften" (大成殿; Dàchéng Diàn), zu finden ist. Denn stark zu leiden hatte das Gebäude unter der Kolonialherrschaft der Japaner, weshalb auch die Ahnentafel (神位; Shénwèi) des Konfuzius mit den Namen seiner 72 Schüler zeitweise umziehen musste. Erst bei dem Neubau des Tempels von 1961 bis 1964 kehrten Stele und Tafel in den Park zurück.
4. Fukang'an-Monument (福康安紀念碑)
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.Einem General der Qing zu Ehren... |
Eher unscheinbar, aber mit einer bemerkenswerten Geschichte, steht das Fukang'an-Monument (福康安紀念碑; Fúkāng'ān Jìniànbēi) mit chinesischen und mandschurischen Schriftzeichen inmitten des Parks auf einer steinernen Schildkröte als Sockel. Auf dem chinesischen Festland nicht so besonders selten, ist es auf Taiwan nur in Chiayi City (嘉義市, Jiāyì Shì) und in Tainan City (臺南市, Táinán Shì) zu finden. Der Grund dafür ist der mandschurische General Fukang'an (福康安; Fúkāng'ān), der einst 1787 für den berühmten, chinesischen Kaiser Qianlong (乾隆; Qiánlóng) eine Revolte auf Taiwan beendete und die Stadt Jhuluo (諸羅; Zhūluó) beschützte, welche erst daraufhin in Chiayi City umbenannt wurde. Dem General zu Ehren ließ der Kaiser daraufhin eine Reihe von Stelen erbauen, die auch heute noch zumindest teilweise in Chiayi City und in Tainan City zu sehen sind. Wem das nun nicht schon zu viel Geschichte war, rate ich ausdrücklich zur weiterführenden Lektüre, denn auch hier findet sich vor Ort leider nicht viel für ausländische Touristen.
5. Manneken Pis (尿尿小童)
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Was wäre ein Park ohne Manneken Pis? |
Nicht einmal im Chiayi Park ist man vor der berühmten Brunnenfigur des kleinen Jungen sicher, die irgendwo ungeniert in ein Becken strullert. Das Original des Brüsseler Bildhauers Hieronimus Duquesnoy schmückte schon 1619 die belgische Hauptstadt und wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach vom ursprünglichen Standort gestohlen, weshalb es heute im Stadtmuseum des
Broodhuis (Maison du Roi)
untergebracht ist. An der Ecke
Eikstraat (Rue du Chêne) und
Stoofstraat (Rue de l'Étuve) steht deshalb seit 1965 eine Kopie.
6. Baseballstadion (嘉義市立棒球場)
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Eine Großkatzenfamilie bewacht das Stadion... |
Das Städtische Baseballstadion von Chiayi City (嘉義市立棒球場; Jiāyì Shìlì Bàngqiúchǎng) wird zwar noch für Baseball benutzt, hat aber seit 2003 keine Heimmannschaft mehr. Bereits 1918 errichtet, ist das Gebäude erneut eine Hinterlassenschaft der Japaner, die "Knüppelball" auch auf Taiwan populär machten Seit 1998 strahlt das 10.000 Besucher fassende Stadion, das auch in der Zwischenzeit immer mal wieder renoviert wurde, nun schon in neuem Glanz.
Adresse:
嘉義公園 (Jiāyì Gōngyuán)
600嘉義市東區公園路46號 (Chiayi City oder Jiayi City, Dōng Qū bzw. Östlicher Bezirk, Gongyuan-Straße Nr. 46)
Karte:
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